Gustav Eberlein

1847 – 1926

Eberlein

Der bekannte Bildhauer, Maler, Dichter, Schriftsteller, Musiker und Architekt der Gründerzeit wird als Gustav Heinrich Eberlein am 14. Juli 1847 in Spiekershausen bei Kassel geboren. Als 8-Jähriger siedelt er 1855 mit seinen Eltern, Johannes Josephus Eberlein und Margarethe Elisabeth Eberlein, geb. Bein, sowie seiner 4 Jahre jüngeren Schwester Catharina Luise Sophie nach Hann. Münden (Radbrunnenstr. 18, heute 40) über, wo sein Vater, ein früherer Soldat und Grenzwächter, fortan als Steueraufseher arbeitet.

Schon zu dieser Zeit fühlt sich der junge Gustav Eberlein zu Kunst und Schönheit hingezogen, da jedoch der Familie die Mittel für ein Kunststudium fehlen, erlernt Eberlein schließlich – nach begonnener Lehre als Anstreicher, Stockschnitzer und Schreiber für einen Gerichtsvollzieher – das Goldschmiedehandwerk. Als Offenbarung erweist sich für ihn 1865 die Begegnung mit dem Holzschnitzer Ferdinand Stromburg aus Oberscheden. Inspiriert durch dessen Werke, erschafft Eberlein noch im gleichen Jahre „Die Verkündung der Geburt Christi“, ein Buchsbaumrelief. Dieses Werk erregt schließlich die Aufmerksamkeit des Direktors der Nürnberger Kunstschule, F. A. von Kreling, welcher ihm 1866 den Besuch eben dieser Schule ermöglicht.

1869 ermutigt ihn ein Stipendium der Königin von Preußen, nach Berlin überzusiedeln, wo ihn der neobarocke Stil des Reinhold Begas maßgeblich beeinflußt. Reisestipendien, die ihm durch die Königin zugesprochen werden, ermöglichen ihm mehrere Italienaufenthalte (die Liebe zu diesem Land soll ihn bis an sein Lebensende begleiten), während deren ihm die Meister der italienischen Renaissance, allen voran Michelangelo, zum Vorbild werden. So sind die Werke seiner ersten Schaffensperiode (1870 – 1882) stark geprägt von antiken Motiven und michelangelesken Einflüssen.

1873 heiratet er seine erste Frau Helene von Frankenberg; 1878 wird ihnen ein Sohn geboren, Anzio Oreste, der 1881 nur dreijährig an Diphtherie stirbt. Zu dieser Zeit verdient Eberlein den Lebensunterhalt für seine Familie vorwiegend durch die Anfertigung von Fontänen und Kriegerdenkmälern sowie Zeichnungen für Zeitungen. Später, in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts, versucht Eberlein den Verlust des Sohnes offenbar durch seine Arbeiten an seinen „Venus-Amor“-Gruppen zu verarbeiten; Mutter-Kind-Darstellungen, zu denen die Erinnerung an sein einziges leibliches Kind ihn inspiriert haben dürfte. Überhaupt sind Familienangehörige und Freunde des Künstlers häufig Vorbilder für seine Motive.

Um 1880 stellt ihm der Berliner Architekt Martin Gropius ein Atelier zur Verfügung, wo Eberlein die Figur des „Dornausziehers“ erschafft, mit der ihm schließlich der künstlerische Durchbruch gelingt. Vom Kaiserhaus geschätzt, werden ihm fortan viele öffentliche Aufträge in ganz Deutschland zuteil, und zahlreiche seiner Werke erhalten Auszeichnungen auf diversen Kunstausstellungen.

Trotz nun steigender Popularität (1893 wird ihm vom Kaiser auf Vorschlag der Kunstakademie der Professorentitel verliehen) bleibt Gustav Eberlein seiner Heimatstadt stets verbunden, er stiftet ihr zahlreiche seiner Werke, wie 1873 das Kriegerdenkmal mit der Bronzestatue der „Mundenia“ (um 1952 abgerissen) sowie Pfingsten 1888 das Gipsrelief „Die Verteidigung der Stadt Münden im 30-jährigen Kriege gegen Tilly“ für das Turmzimmer der 1885 eingeweihten „Tillyschanze“; ein Reiterdenkmal Kaiser Wilhelms I. wird indes 1894 von der Stadt abgelehnt. Eberlein läßt es daraufhin verärgert auf der Bastei der „Eberburg“ (heute Hotelbetrieb) aufstellen, seinem ersten Mündener Sommersitz, den er 1893 mit seiner zweiten Frau, Maria Gräfin von Hertzberg, bezogen hat. Später läßt er eine zweite Sommerresidenz in Münden erbauen, das „Weserkastell“ an der Göttinger Straße, welches 1958 im Zuge des Ausbaus der B80 abgerissen werden muß.

Ebenfalls 1893/94 beginnt Eberlein aus eigenen Mitteln mit der Einrichtung eines Eberlein-Museums im Welfenschloß der Stadt Münden, welches an das bereits existierende „Alterthumsmuseum“ angeschlossen werden soll und das am 29. Juli 1898 eröffnet wird. Um die Jahrhundertwende herum wendet sich Gustav Eberlein vermehrt dem Naturalismus zu. Diese dritte Periode seines Schaffens (1900 – 1904) befaßt sich vorwiegend mit christlichen Darstellungen, die von realistischer Offenheit geprägt sind. Auch zeigt er sich als politisch engagierter Künstler. So setzt er sich beispielsweise gegen das Sittlichkeitsgesetz, die sog. Lex Heinze, ein, welches Künstlern die Darstellung des Nackten untersagen will.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist Eberleins Arbeit nicht mehr unumstritten. Die Große Berliner Kunstausstellung des Jahres 1900 entfernt 16 seiner 32 Exponate, da ihre naturalistische Darstellung der Zensur zum Opfer fällt; es heißt, Eberlein sei dem Zeitgeschmack zu weit voraus.

Dennoch erschafft er in den folgenden Jahren einige seiner bedeutendsten Werke, das Richard-Wagner-Denkmal in Berlin, welches 1903 eingeweiht wird sowie das Goethe-Denkmal in Rom, zu dessen Einweihung 1904 Eberlein das Kommandeurkreuz der Italienischen Krone verliehen wird.

Nachdem um 1905 die Flut der Denkmalsaufträge verebbt, widmet sich Eberlein verstärkt der Erschaffung von Kleinskulpturen sowie der Malerei. Noch immer verbringt er die Sommermonate vorwiegend in Münden und setzt sich in vielerlei Hinsicht für seine Heimatstadt ein.

1907 erweist sich als Schicksalsjahr für den Künstler. Pläne für eine Bilderausstellung scheitern und eine Reihe von Jugend- und Tanzszenen darstellenden Kleinskulpturen schaden dem Ruf des nunmehr 60-Jährigen. Im November desselben Jahres reist Eberlein schließlich mit seiner Frau nach Amerika, gewissermaßen als „Botschafter“ und als „des Kaisers liebster Bildhauer“.

Im folgenden Jahr, 1908, erhält er den Auftrag für ein argentinisches Freiheitsdenkmal in Buenos Aires, welches 1910 fertiggestellt wird. Zu dieser Zeit begeht Eberlein zahlreiche Südamerikareisen und vollendet 1911 die Arbeit am „Deutschen Brunnen“ in Santiago de Chile. Zwischen dieses Auslandsreisen kehrt Eberlein immer wieder gerne in die Heimat zurück, er stiftet seinem Museum in Münden zahlreiche weitere Werke und fertigt zur Einweihung des Gauß-Turms in Dransfeld eine Gauß-Büste an.

Für das Jahr 1914 plant Eberlein den Druck seiner „dichterischen und schriftstellerischen Werke“, welche aus 4 Bänden bestehen sollen. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges verhindert dies. 1917 wird seine Ehe mit seiner zweiten Frau Maria geschieden.

Bei Kriegsbeginn zeigt sich Eberlein in seinen Werken zunächst als Patriot und teilt offenbar die anfängliche Kriegsbegeisterung der Deutschen, später jedoch drückt er mit seinem „Phidias“- bzw. „Homer-Relief (1916 bzw. 1917) einen verstärkten Wunsch nach Frieden aus.

Nach Kriegsende stößt Eberlein mit seinen Schöpfungen vermehrt auf Unverständnis: Er, der einstmals Kaisertreue, erschafft nun Büsten auch von Marx, Bebel und Lasalle; er dagegen sieht sich als überparteilich und möchte seine Kunst als die Aufgabe „alles Große, schöpferisch fortschreitende der Menschheit im Bilde zu zeigen…“ verstanden wissen. Noch immer verbringt Eberlein viel Zeit in Italien und in seiner Heimatstadt Münden, wo er 1920 anregt, die 1855 geschlossene Fayencefabrik wieder aufleben zu lassen. Das Jahr 1922 widmet er der Monumentalmalerei. 1924 entstehen seine letzten Skulpturen, die „Mutter und Kind“-Werke, angeregt durch die Geburt seines Adoptivenkels Anziano Bernardi. Von der Inflation schwer getroffen, verkauft Eberlein schließlich das Weserkastell, er verbringt die letzten Jahre seines Lebens mit der Familie seiner Adoptivtochter Emma Bernardi. Dort hatte er nicht nur mit schwerer Armut zu kämpfen, sondern auch mit einem sich rapide verschlechternden Gesundheitszustand; es heißt, er habe an Magenkrebs gelitten.

Im Herbst 1925 plant er noch einmal eine Reise nach Münden, zu der es jedoch nicht mehr kommen soll. Gustav Eberlein verstirbt am 5. Februar 1926 im Alter von 78 Jahren in Berlin, verbittert und mit dem Gefühl, verkannt worden zu sein. Sein Grab befindet sich auf dem Alten Matthäi-Friedhof in Berlin, wo er neben seiner Mutter und seinem Sohn Anzio Oreste beigesetzt wird.

Einige seiner Werke sind uns bis heute erhalten geblieben, so etwa das im Turmzimmer der Tillyschanze gezeigte Relief oder auch die überlebensgroße Statue „Gott-Vater haucht Adam den lebendigen Odem ein“ in den Wallanlagen unserer Stadt. Doch viele seiner Schöpfungen erfahren indes ein tragisches Ende:

1932 werden bei einem Brand in seinem ehemaligen Atelier auf der Eberburg zahlreiche seiner Werke zerstört, dabei vermutlich auch 5 Bände mit seinen Memoiren, an denen er vor seinem Tode gearbeitet hat. Auch das Eberlein-Museum gibt es heute nicht mehr. Eberlein hatte dem Museum insgesamt über 300 seiner Werke zur Verfügung gestellt und bestimmt, daß diese nach seinem Tod als Schenkung an die Stadt Münden übergehen sollen. Später erleiden die meisten dieser Werke jedoch ein trauriges Schicksal. Schon während der Zeit des 3. Reiches wird die Anzahl der damals ausgestellten über 170 Exponate auf rund 40 verringert, und 1972 informiert der damalige Ortsheimatpfleger Brethauer die Öffentlichkeit über die Zerstörung von rund 150 Werken des Künstlers, die zu Gipsbrocken zerschlagen auf dem Dachboden des Welfenschlosses gefunden wurden, wo sie zur Dielenunterfütterung dienen sollten. Im heutigen Museum der Stadt Münden befinden sich lediglich noch 12 Büsten (darunter zwei, die Eberleins zweite Frau Maria darstellen), sowie die Statuen des „Dornausziehers“ und der „Wasserträgerin“. An dieser Stelle sei auch die Gustav-Eberlein-Forschung e.V. erwähnt, die sich sehr für den Erhalt und die Restaurierung der noch bestehenden und noch zu rettenden Werke eingesetzt hat und die dafür sorgt, daß das Andenken an diesen großen Künstler gebührend gewürdigt wird.

(Text: K. Scheffel, 2003)